Heinrich-von-Gagern-Gymnasium Frankfurt am Main

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Ehemalige Frankfurter zu Besuch im HvGG 2014

Text:
Iris Hofmann
Hannelore Ochs
Fotos:
Leni Koch
Miriam Kuhn
Lena Kustoss
Iris Hofmann
Letzte Änderung:
09.06.2014
Verantwortliche/r:
Roswitha Winter-Stein

Ehemalige Frankfurter zu Besuch im HvGG 2014

„Fragt nach, stellt unbequeme Fragen, so lange ihr noch die Möglichkeit dazu habt!“

Menashe Post und seine Frau sowie die Schwestern Naomi und Edna Grünewald sowie Ednas Mann aus Israel nehmen in diesem Jahr am Projekt „Jüdisches Leben in Frankfurt“ teil. Dazu haben sie die Einladung der Stadt Frankfurt/M. angenommen und in diesem Zusammenhang auch den Ort aufgesucht, an dem die ehemalige Samson–Raphael-Hirsch-Schule stand, wo sich heute der Neubau unserer Schule befindet. Menashe hat sogar Fotos der Schule vor Ihrer Zerstörung dabei.

In diesem Jahr nehmen Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen an den Zeitzeugengesprächen teil. In zwei verschiedenen Gruppen, die von Frau Ochs (Herr Post) und Frau Hofmann (Geschwister Grünewald) moderiert werden, sprechen die Gäste vor den einzelnen Schülergruppen über Ihre Geschichte und die Erlebnisse ihrer Eltern und Großeltern.

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Die Schwestern Edna und Naomi sind beide in Israel geboren (Jahrgang 1935 und 1936).
Sie berichten von der glücklichen Zeit ihrer Eltern in Frankfurt und Umgebung. Diese hatten jeweils gut bezahlte Jobs, die ihnen Freude machten. Sie unternahmen viele Ausflüge und besaßen schon recht früh ein Auto, auf das sie sehr stolz waren. Sie gingen Skifahren und der Vater unternahm lange Fahrradtouren mit Freunden.
Die Eltern hatten die Veränderungen innerhalb der Politik jedoch mit Besorgnis beobachtet, 1933 ihre Jobs verloren und sich dann zur Auswanderung entschlossen. Die Auswanderung war mit hohen Kosten verbunden: 1000 RM waren zu bezahlen, Geld, dass viele jüdische Familien nicht aufbringen konnten.
 
Die Eltern versuchen, auch die Großeltern zur Auswanderung zu bewegen, doch diese fühlten sich in Deutschland wohl, wollten nicht in das klimatisch schwierige Israel ziehen. Da die Großväter in Deutschland geboren wurden und im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten, fühlten sie sich trotz der veränderten politischen Stimmung sicher.
Naomis und Ednas Eltern kehrten 1936 noch einmal nach Deutschland zurück, um die zuerst geborene Edna ihren Großeltern vorzustellen und sich die Olympischen Spiele in Berlin anzuschauen. Auch diesmal blieben Versuche, die Großeltern mit nach Israel zu nehmen, erfolglos. Lediglich die Tante wollte nachkommen, schickte ihre Habseligkeiten in einem Container voraus, sie selbst erreichte ihren Zielort aus unerklärten Gründen jedoch nie.
Die Großeltern Haas und Grünewald starben zwischen 1942 und 1944 in Theresienstadt und Auschwitz. Heute erinnern Gedenktafeln am jüdischen Friedhof an die vier. Die Tante ist vermutlich auf einem nicht erfassten Transport aus Frankfurt verschleppt worden.

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Aber die Schwestern geben auch Einblick in ihre eigene, zumeist unbeschwerte Jugend in Israel. Der schwierige Beginn der Eltern als Landwirte, der für die Kinder ein großes Abenteuer, für die Eltern jedoch harte Arbeit bedeutete. Maschinen gab es nicht, das Feld wurde mit dem Eisenpflug und zwei Pferden bewirtschaftet. Damit Naomi zu einer besseren Schule gehen konnte, die mehrere Kilometer entfernt war, kauften ihre Eltern einen Esel.
Viele Rätsel über den Verbleib ihrer Angehörigen konnten erst im Laufe des Frankfurtbesuchs gelüftet werden. Dies bedeutet eine große Erleichterung für die Schwestern, die mit den früh verstorbenen Eltern nie über die Zeit des Holocaust gesprochen haben.
„Eine Lücke, die zum Glück langsam geschlossen wird“ meint Naomi. Eindringlich ermuntert sie die SchülerInnen, Fragen zu stellen und sich nicht zu schnell zufrieden zu geben.

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Schuleiter Thomas Mausbach begrüßt die Gäste. Anschließend sitzen alle bei einem koscheren Imbiss noch eine Weile im Lehrerzimmer des Altbaus zusammen.
Es folgen weitere anregende Diskussionen, bevor die Besucher aufbrechen, um das Museum Judengasse und weitere geschichtsträchtige Orte innerhalb und um Frankfurt zu besuchen.


Zeitzeugenbesuch 2014 in der Klasse 9 b Geschichte

Im Rahmen des Projektes „Jüdisches Leben in Frankfurt“ hatte das Gagern-Gymnasium auch in diesem Jahr wieder Zeitzeugen zu Besuch. So ergab es sich, dass die Klasse 9b am 2.6.2014 in der 5. Stunde an einer Geschichtsstunde teilnahm, die von keinem Geschichtslehrer und keinem Geschichtsbuch geleistet werden kann.
Unser Zeitzeuge war Menashe Post, geboren 1937 in Palästina und heute wohnhaft in Jerusalem. Er war mit seiner Frau Rivka Post auf Einladung der Stadt nach Frankfurt zum Besuchsprogramm (seit 1980) gekommen. Er gehört zu den Kindern der Generation der ehemaligen Frankfurter, die als Kinder emigriert sind oder in der Emigration geboren wurden und die die frühere Heimatstadt der Familie aus Erzählungen der Eltern, manchmal auch der Großeltern kennen. Seine Mutter (gest. 1992 in Israel) hatte erst im Altersheim begonnen, über diese Zeit zu reden.
Der emotionale Bezug zu unserer Schule bestand darin, dass die Mutter, Sophie Post geb. Neumann (geb 1901 in Frankfurt), Schülerin der Samson-Raphael-Hirsch-Schule war, auf deren Gelände Anfang der 1960 er Jahre unser Neubau errichtet wurde. Herr Post konnte uns sogar noch eine Fotografie seiner Mutter in einem Klassenraum dieser Schule (selten!) zeigen sowie weitere Fotografien seiner Familie vor der Emigration oder Ermordung.

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Zu Beginn seines Zeitzeugenberichtes nannte Herr Post als Grund und Zielsetzung seines Kommens, dass derartiges niemals mehr passieren dürfe, wofür die Nachfolgegenerationen sorgen müssten. Herr Post war sichtlich überrascht über die multikulturelle Zusammensetzung der Klasse, was ihm den Einstieg in seinen Bericht zunächst erleichterte.
Wir erfuhren - Bericht und Gespräch waren in englischer Sprache -, dass seine Großeltern mütterlicherseits, Eliazar Lazarus Benjamin und Hanna Neumann, geb. Lind aus Frankfurt, die ca. 1895 in Frankfurt geheiratet hatten, nicht auswandern wollten. Hanna Neumann (geb. 1868) starb 1938 in Frankfurt und wurde auf dem Frankfurter Jüdischen Friedhof Eckenheimer Landstr. 238 beerdigt. Ihr Mann Eliazar Lazarus Benjamin, wohnhaft in der Klapperfeldstr. 8 (Stolperstein seit 2012), wurde 1939 verhaftet, lebte ab März 1940 im Jüdischen Altersheim im Röderbergweg, vor seiner Deportation in der Rückertstr. 49 und starb am 17.1.1943 im KZ Theresienstadt.
Sie hatten vier Kinder: Sophie, Lina, Moritz und Berta. Lina wanderte mit ihrem Mann 1938 in die USA aus, Moritz floh als Kommunist nach Rio de Janeiro/ Brasilien, Berta emigrierte nach Holland, ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

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Die Eltern des Zeitzeugen, Moshe Postalewski, später Post (geb. in Polen 1899, gest. in Jerusalem 1983) und Sophie Post geb. Neumann (geb. 1901 in Frankfurt, gest. 1992 in Israel), hatten am 8.1.1929 in Frankfurt geheiratet. Sie lebten bis 1934 mit ihren beiden ältesten Kindern Bertold (1929) und Ruth (1934) mit Sophies Eltern in der gemeinsamen Wohnung in der Klapperfeldstr. 8. 1934 entschloss sich Moshe Postalewski als jüdischer Geschäftsmann mit polnischer Staatsangehörigkeit zur Auswanderung nach Palästina. 1935 folgte Sophie ihrem Mann mit den beiden Kindern nach Jerusalem. 1937 wurden die Zwillinge Menashe und Ephraim geboren. Bertold (jetzt: Benjamin) lebt mit seiner Familie in New York, die anderen Geschwister leben in Israel.
Sehr ergreifend war die Situation, als Herr Post ein Dokument seiner Tante Berta in Händen hielt. Sie war nach Holland emigriert und ihr letztes Lebenszeichen ist dieses Dokument des Roten Kreuzes, in dem sie sich in Holland, vermutlich vor ihrer Deportation an ihre Familie wendet. Maximal 25 Wörter wurden von der NS-Behörde zugelassen.
Am Schluss stellten die Schüler ihre Fragen und beide Seiten stellten fest, dass sie zum ersten Mal einen solchen Austausch erlebt hatten, was nicht nur für den Zeitzeugen ergreifend war.
Auf Anregung von Frau Faltinat („Jüd. Leben in Ffm.“) beschlossen wir nach „dieser Unterrichtsstunde“ den Kontakt zu Herrn Post aufrechtzuerhalten und zur Aufarbeitung dieses Besuches beizutragen. Im Anschluss fand ein kleiner Empfang der Zeitzeugen mit einer Ansprache unseres Schulleiters, Herrn Mausbach, statt.

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